Ferragosto – die eigentliche Sommersonnenwende Siziliens

Zuletzt bearbeitet am 2023-04-07

Wir freuen uns, denn es hat endlich geregnet

Der Regen war gestern. Heute ist Ferragosto, wie jeden 15. August, DER Höhepunkt des Urlaubs, der auch gleichzeitig dessen Ende ankündigt. Das muss unbedingt gefeiert werden! So knubbelig und lautstark wie möglich!

Der Name Ferragosto führt zurück zum ersten römischen Kaiser Augustus, nach dem auch der August benannt wurde. Im Jahr 29 v. Chr. hat er in der Mitte des Monats mit einem tagelangen Fest seinen Sieg über Marcus Antonius und Kleopatra ehren lassen. Rom stand Kopf in diesen Tagen des Hochsommers und das scheint allen gut gefallen zu haben, denn gefeiert wird seitdem in fast jedem Jahr.

Die katholische Kirche begeht an diesem Tag Mariäs Aufnahme in den Himmel oder kurz: Maria Himmelfahrt. Es ist einer der höchsten Feiertage in Italien, trotzdem wird er eher traditionell so begangen wie zu Zeiten König Augustus, also heidnisch, mit Tanz, Spiel, Gesang und vor allem viel Völlerei. Gekrönt mit einem nächtlichen Lagerfeuer und Übernachtung am Strand.
Da will Jede(r) dabei sein und wehe, wenn nicht, dann wird gemutmaßt, dass Du Dir das wohl nicht leisten kannst?!? Und so sind mindestens in diesen Tagen alle unterwegs in die Berge oder, vor allem, ans Meer. Geschäfte, Firmen und Büros sind zwangsläufig geschlossen.
Denn was gibt es Schöneres als den heißesten Tag des Jahres im Meer zu sitzen, gemütlich darüber sinnierend, was das neue Jahr bis zum nächsten Ferragosto wohl so bringen wird und auch, wann der Eismann wieder seine Runde am Strand dreht. Abends schlendert man entspannt zu Grill und Aperitivo und feiert bis spät in die Nacht hinein.

In Campofelice sind wir diesmal live dabei und können dazu folgendes berichten:
Das Thermometer ist heute tatsächlich pünktlich in die Höhe geschnellt und es kündigt sich ein Scirocco (Südwind mit sehr warmem Wind) an.
Es sind jedoch gar nicht so viele Leute auf der Insel, wie wir dachten, dass hier sein müssten. Und das ist gut so, denn das gemeinschaftliche Feiern ist nicht erlaubt!
Kurz vorm Aufdrehen der Musik und Anzünden des Grills am Strand hat die Gemeinschaft der sizilianischen Bürgermeister beschlossen, ganz schnell ein generelles Feierverbot auszusprechen, „zur Vermeidung von Versammlungen, Lagern, Trunkenheit und Lagerfeuern an Stränden oder in öffentlichen Gärten“.
Wohl wissend, dass die Gemeindekassen die Schockwelle einer neuen Coronawelle nicht verkraften könnten. Oder weil am Ende doch der Müll nervt, der gerne und überall einfach liegen gelassen wird? Trotzdem: haben sie sich wirklich überlegt, was das Ausladen von einer Party in allerletzter Minute bedeutet??
Wir konnten gestern tatsächlich entlang der Strände von Termini bis Campofelice Polizeiautos, Wagen des sizilianischen Zivilschutzes und welche der Wach- und Schließgesellschaften auf Patrouillefahrten sehen. Manche „unterhielten“ sich mit den Badegästen, viele saßen in Lauerstellung in ihren Autos.

Zum Glück hören wir heute, dass mindestens eine der Strandbuden weiterhin ihre Partylaune in die Umgebung dröhnt. Was uns sonst manchmal wegen des Musikgeschmacks die Augen verdrehen lässt, ringt uns heute ein Lächeln ab: weiter so und feiert schön! Wäre doch irgendwie schade, wenn nicht!


Gibellina

Zuletzt bearbeitet am 2022-02-27

Gibellina ist ein Ort im Westen Siziliens im Belice Tal. Am 15.Januar 1968 wurde das Städtchen bei einem Erdbeben völlig zerstört. Hunderte Menschen starben. In der Folge passierten zwei Aktionen: dem zerstörten Ort wurde in den 90ziger Jahren von Alberto Burri ein Denkmal gesetzt und ca 13km westlich davon entfernt eine neue Heimat für die betroffenen Menschen geschaffen.

Gibellina Vecchia

Gibellina Vecchia

In der Ferne, kurz unter dem Horizont, ungefähr in der Mitte des Bildes, ist eine weiße Fläche zu erkennen: Gibellina Vecchia.

Das ortsidentische Mahnmal von Alberto Burri aus Weißbeton ist surreal und konkret zugleich. ….. genau wie die Piazza Joseph Beuys in Gibellina Nuova (s.u.).

Gibellina Nuova

wurde genauso kompromisslos geplant wie das Mahnmal von Burri sich präsentiert. Die damalige Elite europäischer Architekten wie z.B. Rob Krier, O.M. Ungers, P. Consagra, A. Pomodoro, R. Guttuso hatte ihrer Vorstellung einer idealen urbanen Siedlung auf dem Land eine Gestalt gegeben. Dies ist nicht auf Gegenliebe bei den Einheimischen gestoßen. Da half es auch nicht, dass Joseph Beuys Bäume gepflanzt hat. Woraufhin aber immerhin ein zentraler Platz am Zugang zur Siedlung nach ihm benannt wurde.

Es kann sehr eindringlich erfahren werden, dass die gut gemeinte Idee, eine neue Welt ohne Bindung an traditionelle und lokale Strukturen schaffen zu wollen, schnell scheitern kann. Bruch statt Transformation funktioniert nicht. Ein Dialog zwischen Tradition und Fortschritt ist notwendig. Auch wenn der Marktplatz historische Typologien bemüht, bleibt er abstrakt und blutleer. Es ist nicht vorstellbar, dass dort lebendiges Leben stattfindet.

Aber Scheitern ist auch eine wichtige Erfahrung. Es lohnt sich den Ort anzuschauen und nachzuspüren wie man selbst auf die gutgemeinten Ideen reagiert.

Weitere Informationen über diese Links:
Wikipedia > Gibellina
Download > Gibellina in der Baunetzwoche #556 vom 23. April 2020 (pdf)